Vorgaben für die Errichtung von Ladestationen
Deutschland – Österreich: Unterschiede in den rechtlichen Rahmenbedingungen
Deutschland und Österreich haben vieles gemeinsam, doch in vielen Belangen könnten die beiden Länder unterschiedlicher nicht sein. Was insbesondere in Hinblick auf gesetzliche Bestimmungen beinahe verwundert, unterliegen doch beide Länder den Vorgaben der EU. Bei den rechtlichen Rahmenbedingungen, die rund um die Errichtung von Ladestationen in Gebäuden gelten, gibt es einige erhebliche Unterschiede, denen wir uns in diesem Blogartikel widmen möchten.
In der Richtlinie (EU) 2018/844¹ spielen Gebäude bzw. die darin eingesetzten Innovationen und Technologien eine wichtige Rolle bei der allgemeinen Dekarbonisierung der Wirtschaft einschließlich des Verkehrssektors. Sie werden darin als Hebel für die Entwicklung notwendiger Infrastrukturen für intelligentes Laden von E‑Fahrzeugen beschrieben (22). Bei der Festlegung der Anforderungen zur Errichtung von Ladestationen sollen die Mitgliedsstaaten die diversen vorherrschenden Bedingungen berücksichtigen. Das tun sie in höchst unterschiedlicher Weise. So trat in Deutschland dazu am 18. März 2021 das „Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz“² in Kraft. In Österreich erfolgte die Umsetzung durch Gesetze des Bundes und der Bundesländer³, denn Bauordnung ist in Österreich Ländersache.
Deutschlands Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz
Das GEIG schreibt entlang der EU-Richtlinie 2018/844 die Installation von Ladestationen vor, und zwar sehr konkret in Bezug auf Art des Gebäudes sowie Anzahl und Umfang der Ladepunkte. So gelten – unter Anwendung einiger Ausnahmen – grundsätzlich folgende Regelungen:
Vorgaben für die Errichtung von Ladestationen in neuen Gebäuden
Für neu zu errichtenden Gebäuden gelten die folgenden Vorgaben:
- Bei Wohngebäuden mit mehr als 5 Stellplätzen muss dafür Sorge getragen werden, dass jeder Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur für E‑Mobilität ausgestattet wird
- Bei Nichtwohngebäuden mit mehr als 6 Stellplätzen muss mindestens jeder dritte Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur ausgestattet werden sowie mindestens ein Ladepunkt errichtet werden.
Vorgaben für die Errichtung von Ladestationen in bestehenden Gebäuden
Für bestehenden Gebäuden muss im Zuge größerer Renovierungen folgende Vorgaben berücksichtigt werden:
- Bei Wohngebäuden mit mehr als zehn Stellplätzen innerhalb oder angrenzend an das Gebäude muss jeder Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur für E‑Mobilität ausgestattet werden,
- Bei Nichtwohngebäuden mit mehr als zehn Stellplätzen innerhalb oder angrenzend an das Gebäude muss zumindest jeder fünfte Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur für E‑Mobilität ausgestattet sein sowie ein Ladepunkt errichtet werden.
- Bei Nichtwohngebäuden mit mehr als 20 Stellplätzen muss innerhalb oder angrenzend an das Gebäude nach dem 1. Januar 2025 ein Ladepunkt errichtet werden.
Insbesondere der Bereich der bestehenden Gebäude ist insofern interessant, als diese Vorgaben konkret bedeuten, dass etwa Krankenhäuser, Einkaufszentren, Museen etc., welche über öffentliche Stellplätze verfügen, künftig Ladeinfrastruktur anbieten müssen.
Um den Kommunen die Umsetzung zu erleichtern, startete im April 2021 ein umfassendes Förderprogramm „Ladeinfrastruktur vor Ort“. Im Zuge dessen wurden 300 Millionen Euro für die Errichtung von Ladesäulen vor Schwimmbädern, an Sportplätzen, Supermärkten, Restaurants oder anderen Orten bereitgestellt.
Österreich: Bauordnungen der Bundesländer
In Österreich findet die Richtlinie 2018/844 Niederschlag in den Bauordnungen, die hierzulande Sache der Bundesländer sind. Nachfolgend eine Übersicht über die Landesgesetzblätter, mit denen die Bauordnungen dahingehend geändert wurden, geordnet nach dem Zeitpunkt, zu dem die Änderungen kundgemacht bzw. ausgegeben wurden:
Ausgabe-/ Kundmachungsdatum |
Bundes-land | Titel | Paragraf | Link |
23.03.2020 | TIR | 36. Verordnung der Landesregierung vom 3. März 2020, mit der die Technischen Bauvorschriften 2016 geändert werden | § 37a | https://www.ris.bka.gv.at/ Dokumente/LgblAuth/LGBLA_TI_20200323_36/ LGBLA_TI_20200323_36.html |
30.07.2020 | OÖ | Oö. Bautechnikverordnungs-Novelle 2020 | § 20 | https://www.ris.bka.gv.at/ Dokumente/LgblAuth/LGBLA_OB_20200730_66/ LGBLA_OB_20200730_66.html |
12.10.2020 | VBG | Verordnung der Landesregierung über eine Änderung der Bautechnikverordnung | § 42a | https://www.ris.bka.gv.at/ Dokumente/LgblAuth/LGBLA_VO_20201012_59/ LGBLA_VO_20201012_59.html |
13.10.2020 | WIEN | Bauordnungsnovelle 2020 | Artikel III | https://www.ris.bka.gv.at/ Dokumente/LgblAuth/LGBLA_WI_20201013_61/ LGBLA_WI_20201013_61.html |
17.12.2020 | KTN | 116. Gesetz vom 17. Dezember 2020, mit dem die Kärntner Bauvorschriften und die Kärntner Bauordnung 1996 geändert werden | § 50e | https://www.ris.bka.gv.at/ Dokumente/LgblAuth/LGBLA_KA_20201223_116/ LGBLA_KA_20201223_116.html |
07.04.2021 | BGLD | Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 7. April 2021, mit der die Burgenländische Bauverordnung 2008 geändert wird | § 40a | https://www.ris.bka.gv.at/ Dokumente/LgblAuth/LGBLA_BU_20210409_22/ LGBLA_BU_20210409_22.html |
20.07.2021 | SBG | 62. Gesetz vom 7. Juli 2021, mit dem das Salzburger Raumordnungsgesetz 2009, das Bebauungsgrundlagengesetz, das Baupolizeigesetz 1997, das Salzburger Bautechnikgesetz 2015 und das Salzburger Bauproduktegesetz geändert werden | § 37a | https://www.ris.bka.gv.at/ Dokumente/LgblAuth/LGBLA_SA_20210720_62/ LGBLA_SA_20210720_62.html |
07.10.2021 | STMK | 91. Gesetz vom 28. September 2021, mit dem das Steiermärkische Baugesetz geändert wird | § 92 a | https://www.ris.bka.gv.at/ Dokumente/LgblAuth/LGBLA_ST_20211007_91/ LGBLA_ST_20211007_91.html |
Mit diesen Verordnungen wurden die jeweils gültigen Landesgesetze an die Erfordernisse der EU-Richtlinie angepasst.
Niederösterreich als Vorreiter in der Elektromobilität:
Ein Bundesland sticht in diesem Zusammenhang heraus, nämlich Niederösterreich. Schon früh als Vorreiter in Sachen Elektromobilität und Förderung derselben tätig, war die Niederösterreichische Bauordnung⁴ bereits 2014 künftigen Anforderungen angepasst worden. Dabei wurde schon sehr konkret auf Art der Gebäude, Anzahl der Ladepunkte sowie Vorsorgemaßnahmen für den nachträglichen Einbau und sogar Ladeleistung von Ladeinfrastruktur eingegangen. Die Anforderungen der EU-Richtlinie waren somit bereits erfüllt, eine weitere Adaptierung nicht notwendig.
Insgesamt wird der verpflichtende Einbau bzw. die Nachrüstung von Bestandsgebäuden auch in Österreich positiv bewertet, wenn auch noch Schwachstellen geortet werden, wie sie etwa von Wien Energie genannt werden. Ein wichtiger Punkt laut diesen Positionen sei nämlich, diese Verpflichtung auch auf Wohngebäude auszuweiten, denn gerade im urbanen Bereich würden Privatpersonen in Mietwohnungen entsprechende Möglichkeiten fehlen, die schlussendlich die Entscheidung pro Elektroauto verhindern würden. Anders sieht es im Eigentumsbereich aus.
Die WEG-Novelle und das „Right to Plug“
Die EU-Novelle stellt im Immobilienbau also die Weichen, für einen weiteren verpflichtenden Ausbau der Ladeinfrastruktur. Im privaten Bereich und hier wiederum insbesondere im städtischen Bereich, war das Errichten von Infrastruktur bzw. der nachträgliche Einbau einer solchen nach wie vor mit Hindernissen behaftet. Dem setzten in Österreich Justizministerin Alma Zádic und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler mit dem „Right to plug” ein Ende.⁵ Umgesetzt wurde dieses „Recht zu Laden“ in der Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes WEG im § 16⁶ per 1. Jänner 2022.
Bisher war es notwendig, die Zustimmung von mehr als der Hälfte der Wohnungseigentümer:innen des Gebäudes einzuholen. Nun gilt die Zustimmung bei bestimmten Ladestationen bereits als erteilt, wenn die anderen Wohnungseigentümer:innen von der geplanten Änderung ordnungsgemäß in Kenntnis gesetzt werden und nicht innerhalb einer Frist von 2 Monaten widersprechen. Das wird als “Zustimmungsfiktion” bezeichnet und soll damit die Errichtung von einzelnen Ladestationen erleichtern.
Fazit
Elektromobilität ist längst nicht mehr das private Vergnügen einiger weniger Vorreiter, sondern wurde von Europäischer Seite als wirkungsvoller Beitrag zur Reduktion von Treibhausemmissionen erkannt und gesetzlich verankert. Mit der zunehmenden Anzahl an Elektroautos ist der Ausbau der notwendigen Infrastruktur oberstes Gebot – für Firmen, Institutionen, Kommunen und Private gleichermaßen. Je mehr Ladestationen errichtet werden, desto wichtiger wird auch die gezielte Steuerung der Ladevorgänge um Lastspitzen zu vermeiden. Mehr Informationen dazu, finden Sie in unserem Beitrag zum Thema Lastmanagement und Energiemanagement.
3 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/NIM/?uri=CELEX:32010L0031
4 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) § 64 Ausgestaltung der Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/LgblAuth/LGBLA_NI_20150105_1/LGBLA_NI_20150105_1.html
5 https://infothek.bmk.gv.at/right-to-plug-ladestationen-in-mehrparteienhaeusern-werden-erleichtert/
6 https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20001921